Annabel Chapman ist die Tochter eines einst reichen Kaufmanns. Doch dann wurde ihr alles genommen. Die Schiffe des Vaters wurden bei einem Sturm zerstört und die Familie in den Ruin getrieben. Kurz darauf starb ihr Vater an der Pest. Das bedeutete für die Familie Chapman eigentlich, dass sie wie die anderen Dorfbewohner ihre Felder bearbeiten müssen, um die Steuern und Beiträge bezahlen können, Annabels Mutter und ihre verwöhnten Brüder denken aber gar nicht daran. Stattdessen soll Annabel das Problem lösen, indem sie den widerlichen Gerichtsvollzieher Tom heiraten soll, der im Gegenzug die Schulden tilgt.
Annabel kann das auf keinen Fall zulassen und wählt stattdessen das kleinere Übel: Sie fängt als Bedienstete im Haus des neuen Herrn der Ländereien, Lord Ranulf le Wyse, an. Doch die schrecklichen Gerüchte über den jungen Mann scheinen sich alle zu bewahrheiten. Seine Hand ist entstellt, er trägt eine Augenklappe und auch sein Gesicht ist vernarbt. Außerdem ist er extrem aufbrausend und unhöflich.
Das Einzige, was Annabel wirklich durchhalten lässt, ist ihr Wunsch eines Tages als Nonne in einem Kloster zu Leben und nach Herzenslust die Bibel zu studieren, denn sie kann nicht glauben, dass die Worte, die der frauenfeindliche und bigotte Priester des Ortes predigt, wirklich von Gott stammen können.
Doch nach und nach wird das Herrenhaus eine Art Zuhause für sie und auch Ranulf verliert langsam seinen Schrecken. Doch Tom hat noch eine Rechnung mit Annabel offen, die tödlich endet.
Gleich wenn man die Beschreibung liest, wird einem eigentlich klar, dass The Merchant’s Daughter von Melanie Dickerson der Geschichte von Die Schöne und das Biest nachempfunden ist. Wenn man genau hinsieht, hält es sicher sogar ziemlich genau an das Vorbild, was mir recht gut gefallen hat.
Denn trotzdem ist es nicht so auffällig, als dass es seine Spannung verliert und hat genug eigene Ideen, um den Leser bei Laune zu halten. Die Heldin Annabel ist eine sehr sympathische junge Frau, die den Drang ihrer Altersgenossinnen, unbedingt einen Ehemann finden zu müssen, nicht wirklich nachempfinden kann. Stattdessen will sie lieber ihren Wissensdurst stillen und nichts lieber, als in der Bibel zu lesen. Ranulf, ihr Gegenstück, wirkt auf den ersten Blick vielleicht tatsächlich wie ein Biest. Er hatte ein schweres Leben und fasst extrem schwer Vertrauen. Deswegen tut er alles, um seine Mitmenschen von sich fernzuhalten und das erreicht er mitunter sehr lautstark. Trotzdem ist er mit Abstand der interessanteste Charakter und es hat Spaß gemacht zuzusehen, wie er nach und nach immer mehr auftaut.
Sprachlich war das Buch ein bisschen schwierig. Die Handlung spielt im 14. Jahrhundert und die Autorin hat sich redlich bemüht die Sprache dementsprechend anzupassen. Zwar hat sie das nicht komplett durchgezogen und ab und an doch eher modernere Phrasen benutzt, das war aber vielleicht gar nicht so schlecht, denn auf Dauer hätte der dauernde mittelalterliche Einklang vermutlich gestört. Grundsätzlich ist der Sprachstil aber doch eher einfach gehalten.
Einziges wirkliches Manko war für mich die arg ausschweifende Gottesgläubigkeit von Annabel, zumindest im späteren Verlauf. An sich fand ich es nicht schlecht, denn es ging mehr um die Fragen des Lebens und um Annabels Platz in der Welt. Später haben sich die Bibelzitate und fast schon göttlichen Erscheinungen aber gehäuft und das war mit dann doch zu viel.
Trotzdem war The Merchant’s Daughter eine nette Variante von der Geschichte von der Schönen und dem Biest. Zwar ist es relativ ruhig und recht bibellastig, dafür hat es aber spannende Charaktere mit einem gewissen Tiefgang.